Fakten - 22. März 1919

22. März 1919

Die Frauen werden aus dem Beruf gedrängt

München * In den Münchner Neuesten Nachrichten erscheint unter der Rubrik „Von Frauen für Frauen“ ein Artikel, der mit „Platz für den Mann!“ überschrieben ist.

Unter diesem Schlagwort werden die Frauen nun wieder aus den Berufen verdrängt, die sie während des Krieges ausgeübt haben, stellt die Verfasserin Thea Schneidhuber fest: „Die unzähligen Frauen aus all den verschiedenen Industrien haben den heimgekehrten Kriegern mehr oder minder bereitwillig ihren mit so viel Stolz und Selbstgefühl behaupteten Posten abtreten müssen“, schreibt sie.

Ihnen sei zwar von vornherein klar gewesen, dass sie diese Rolle nur provisorisch eingenommen hätten, gleichwohl sind vier Jahre genug gewesen, um auf den Geschmack zu kommen: „Jeder, der es erfahren hat - er sei Mann oder Weib - weiß die Freude am eigenen Erwerb zu verstehen, die umso größer ist, je notwendiger die Herbeischaffung der Mittel ist. Es kann die Tatsache nicht verkannt werden, dass zwei Drittel der Bevölkerung während der Kriegsjahre von der Frau ernährt worden sind, dass sie die Verdienerin war, die ihre Familie erhielt, während der Mann seinen Kriegslohn in den meisten Fällen für sich aufbrauchte“.

Und nun sollen die Frauen still abtreten und wieder den Männern die Bühne überlassen? Die Verfasserin räumt zwar ein, „die Pflichten der Hausfrau und Mutter“ seien der Frau „naturgemäß die liebsten und sie wird ihnen gern das Selbstgefühl opfern, das der eigenen Hände Arbeit ihr bescherte“. Aber das Selbstbewusstsein und den Anspruch auf Mitsprache will sie dennoch nicht aufgeben.

Mit einem „erstaunlichen Maß an Gleichgültigkeit“ stünden gerade die radikalen Vertreter der neuen Ordnung den Frauen gegenüber, klagt sie. Gerade weil die Frauen darauf verzichtet hätten, sich zu einer alle Lager übergreifenden Frauenpartei zusammenzuschließen, stünden die Männer aller Parteien in der Pflicht, ihre Sache nicht nur „ohne Feindseligkeit zu betrachten, sondern nach Kräften zu unterstützen“

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